Steil nach oben
Als Sprungbrett für Nachwuchstalente hat das Magazin BIKE vor 20 Jahren das Junior-Team gegründet. Funktioniert das? Zu Besuch bei Team-Fahrer Dennis Krimmel, der ganz nach oben will.
Text und Fotos: Henri Lesewitz
Superhelden kommen nicht im Kreißsaal zur Welt. Nicht die aus dem Kino, Batman, Hulk, Catwoman, The Flash. Und auch nicht die der Sportarenen und Rennstrecken, Weltmeister, Olympioniken, Worldcup-Stars.
Es ist ein sonniger Freitagnachmittag. Dennis steht im Outfit des BIKE Junior Teams am vereinbarten Treffpunkt, dem Pascha Pizza & Döner-Imbiss im Zentrum von Münsingen.
„Um die Ecke ist es“, sagt er und führt zu einem leerstehenden Ladengeschäft inmitten der Innenstadt. Das Gebäude strahlt etwas Deprimierendes aus. Es wirkt wie ein Spukhaus. Der verwahrloste Look steht im interessanten Kontrast zu den schicken Fachwerkfassaden ringsum. Eine komplett in Lycra gehüllte Schaufensterpuppe, die mutterseelenallein und mumienhaft in der verstaubten Auslage steht, verstärkt den morbiden Eindruck. Dennis zückt den Schlüssel, dreht ihn im Schloss und zieht die Eingangstür auf.
„Das ist der alte Schlecker-Markt“, informiert er, während er sich am Sicherungskasten zu schaffen macht. Das Neonlicht flackert an. Der Raum ist riesig. Es befindet sich absolut nichts drin. Bis auf Europaletten, gezimmerte Sprungrampen und ein Haufen Wackersteine. Nach der ersten Irritation dämmert es einem. Das ist eine Indoor-Mountainbike-Welt. Die Paletten sind der Trail, die Rampen die Drops, und der Steinhaufen ist ein Rockgarden. Was für ein Ort! Als hätten ein Drogeriemarkt und eine Mountainbike-Rennstrecke eine heiße Liebesnacht miteinander verbracht. Seit der Schlecker-Pleite steht das Haus leer. Der TSV Münsingen darf es als Trainingshalle nutzen. Hier sei er das erste Mal Mountainbike gefahren, erzählt Dennis. Im November 2013. Als Siebenjähriger. Seine Mutter hatte von der Halle in der Zeitung gelesen. Und weil sie nach etwas suchte, wo sich Dennis nach der Schule austoben konnte, ging sie mit ihm hin.
„Ich hatte ein ganz einfaches Merida, und am ersten Tag lernten wir, wie man jemandem einarmig zuwinkt auf dem Rad“, lässt Dennis die Flammen der Erinnerung aufflackern. Er schmunzelt. Bei den Trainings der Größeren, die nach den Einheiten der Kids stattfanden, habe er immer gebannt zugeguckt und davon geträumt, einmal ein echter Rennfahrer zu werden. Neun Jahre ist das her. Und jetzt ist er Deutscher Meister. Man merkt Dennis den Stolz an, wenn er darüber redet. Wie hart der Titel erarbeitet ist, lässt sich erahnen, als Dennis anfängt, mit seinem Fully durch die Halle zu toben. Hochkonzentriert hüpft er auf dem Hinterrad, springt über Paletten und knetet die verwinkelte Treppe ins Obergeschoss hoch, auf der schmale Holzlatten eine Art Steg bilden. Runter und wieder hoch. Eine Mischung aus Geschicklichkeits- und Explosionskrafttraining. Das Drumherum scheint ausgeblendet.
„Geil!“, grinst Dennis, als er endlich ausklickt. Er braucht einen Moment, bis sich der Atem wieder stabilisiert hat.
„Ich schätze, eine Saison kostet so um die 10.000 Euro“, überschlägt Konstantin Krimmel, der Vater von Dennis. Das schmucke Einfamilienhaus, in dem die fünfköpfige Familie lebt, lässt auf eine stabile wirtschaftliche Lage schließen. Der Vater von Dennis arbeitet als Industriemechaniker, die Mutter im medizinischen Bereich. Dennoch wäre der Sport ohne Unterstützung nicht zu stemmen.
„Ohne das BIKE Junior Team wäre ich jetzt nicht Deutscher Meister“, sagt es Dennis freiraus. Zwanzig Jahre ist es her, dass im Kreis der BIKE-Redaktion beschlossen wurde, ein Team zu gründen, das Nachwuchstalente auf dem Weg in die Cross-Country-Welt unterstützt. Die Idee: Die Fahrer bekommen Material und Mentoren. Aktuell kümmert sich Bernd Sigel als Manager um alles, was mit der Rennsaison zu tun hat (siehe Interview auf Seite 68). Bernd ist ein drahtiger Kumpeltyp. Sein Sohn fuhr im Team, er ist fasziniert von Cross Country. Wenn er darüber redet, dann hat es fast etwas Philosophisches.